Liebe Schwestern und Brüder,
fast stehen sie nebeneinander, so wie sie auf unserem Titelbild komponiert sind: die Kreuzwegstationen Nummern. 11 und 15 - Jesus stirbt am Kreuz und Jesus steht von den Toten auf.
Und wir finden sie nicht nur in den Kreuzwegfenstern der katholischen Kirche St. Bonifatius in Büdingen, nicht nur in vielen Kreuzwegdarstellungen katholischer Kirchen fast nebeneinander: auch im Kalender stehen beide Ereignisse, beide Festinhalte unseres christlichen Glaubens eng beieinander, nur getrennt vom Karsamstag, dem Tag der Grabesruhe.
Auch in unserem menschlichen Leben können wir es finden: zu Tode betrübt und himmelhochjauchzend!
Tod und Auferstehung, Leiden und Leben, Trauer und Freude, Stille und überbordender Jubel - sie gehören zusammen, sind untrennbar miteinander verbunden, wie zwei Seiten einer Medaille. Wir können das eine nicht vom anderen trennen.
Dabei gibt es sicherlich nicht wenige unter uns, die am liebsten das linke Bild ausblenden möchten: die Kreuzigung. Leiden, Trauer, Krankheiten, Scheitern und Misslingen, Versagen, Fehler, Unvollkommenheiten, Streit, Unfälle und Missgeschicke, Pandemie und Krieg mit all ihren Folgen ….. Es gibt so vieles, das uns Menschen in unserem Leben immer wieder in die Quere kommt. Es gibt so vieles, was wir gerade mal nicht brauchen können. Es gibt so vieles, was uns entsetzt. Geht es nicht auch ohne all das?
Und wenn wir dann zu allem Überfluss auch noch ohne eine helfende Hand dastehen, wenn wir mit all dem alleine gelassen sind, dann bricht die Welt endgültig zusammen.
Da halten wir uns doch lieber an die Auferstehung. Leben, Freude, Gesundheit, Gelingen, Erfolge, Perfektionismus, Harmonie, Glücksmomente, Kontakte ohne Einschränkungen, Frieden... Nach so vielem sehnen wir uns, so vieles möchten wir am liebsten für immer festhalten.
Und wenn wir all diese Momente auch noch mit einem oder mehreren lieben Menschen teilen dürfen, dann haben wir doch schon fast den Himmel auf Erden.
Wir feiern Karfreitag und Ostern, wir feiern das Sterben und das Leben unseres Herrn Jesus Christus. Und wir feiern beides zusammen. Denn es gibt das eine nicht ohne das andere.
Ohne Ostern ist der Karfreitag sinnlos und leer, ohne Ostern wäre Jesus, der Sohn Gottes, einer von Milliarden von Menschen, die im Laufe der Geschichte einen fürchterlichen Tod gestorben sind, wäre er wohl auch längst vergessen worden. Dann hätte der Tod, das Leiden und all das, was wir nicht mögen, das letzte Wort.
Auch Ostern wäre ohne den Karfreitag bedeutungslos. Ohne den Karfreitag wäre Jesus Christus nicht von den Toten erstanden, wäre die Auferstehung ein Hirngespinst.
Aber nur zusammen sprechen Karfreitag und Ostern, sprechen Leiden und Sterben davon, dass der Tod besiegt ist, dass das Leben die Oberhand behalten hat über allem, was uns in die Quere kommt.
Es ist der Mittelpunkt unseres christlichen Glaubens: Tod und Leiden sind überwunden worden durch das österliche Leben und Heil, die in Jesus Christus geschenkt sind. Und wir dürfen daran glauben, dass auch wir durch das österliche Geschehen an Jesus Christus Tod und Leiden überwinden, dass auch für uns das österliche Leben und das göttliche Heil das letzte Wort haben.
Mögen Sie alle durch diesen Glauben im Leben gehalten sein, vor allem dann, wenn sie sich eher im Karfreitag fühlen/befinden als im Osterfest!