Warum feiern wir Sonntagsgottesdienste?
von Wolfram Schmidt
Über die Bedeutung und den Aufbau der sonntäglichen Gottesdienstfeiern
(Teil 10)
3.3.3.3. Die Brotbrechung und Mischung
Immer wieder wird im Neuen Testament vom Brot-brechen gesprochen. Bei seinen Mählern vor und nach Ostern hat Jesus viele Male das Brot gebrochen und mit seinen Freunden geteilt. Diese Teilungsgeste haben die Apostel von Anfang an von Jesus übernommen und bei ihren Zusammenkünften fortgesetzt. Brotbrechen war somit auch die erste Bezeichnung für das eucharistische Feiern und das Kennzeichen der jungen Christengemeinden schlechthin. Das Brotbrechen war die älteste und wichtigste vorbereitende Handlung auf das gemeinsame Mahl, zumal sie auch praktisch erforderlich war, da das Brot von einem einzigen Laib genommen wurde und in entsprechend der Teilnehmerzahl viele Stücke zu teilen war. Nach der Einführung der kleinen Brothostien wurde nur noch die Priesterhostie gebrochen - diese symbolische Teilung wird heute immer öfter wieder zu einer echten Teilung, wenn große, sogenannte Zelebrationshostien Verwendung finden. Durch die Brechung des Brotes wird deutlich, dass alle Christen in der Kommunion von dem einen Brot des Lebens essen, das Jesus Christus ist, und dass wir dadurch alle ein Leib werden.
Unmittelbar an die Brechung des Brotes schließt sich die Mischung von Brot und Wein an. Ein kleines Stück wird dabei nochmals von der Hostie abgebrochen und in den Kelch gegeben. Die Bedeutung dieses Tuns ist umstritten: einige vertreten die Ansicht, es sei ein Zeichen der Vereinigung von Leib und Blut in der Auferstehung Jesu Christi, andere hingegen meinen, es handle sich um eine Vorbereitung auf die Kommunion unter beiden Gestalten. Egal welche Deutung nun zutreffen mag, es ist nicht ganz verständlich, warum die Liturgiereform dieses Tun erhalten hat, zumal es normalerweise von der Gemeinde auch gar nicht wahrgenommen wird. Auch das leise gesprochene Privatgebet des Priesters Das Sakrament des Leibes und Blutes Jesu Christi schenke mir ewiges Leben ergibt keinen Sinn, da es zum Tun des Brotbrechens und der Mischung keine Beziehung hat.
3.3.3.4. Der Gesang zur Brotbrechung
Während der Brechung des Brotes wird ein Begleitgesang der Gemeinde angestimmt. In seinem Text nimmt das Agnus Dei-, das Lamm Gottes-Lied das biblische Bild vom Lamm auf. So ist an das Pascha-Lamm zu denken, das beim Auszug des Volkes Israel aus Ägypten geschlachtet wurde. Vor allem das Johannesevangelium überträgt den Gedanken des Pascha-Lammes auf Jesus Christus, der als unser Osterlamm am Kreuz geschlachtet wurde. Und in der Offenbarung des Johannes ist es das geschlachtete Lamm, das in der Herrlichkeit Gottes die Macht innehat. Von daher sind die Bitten um Erbarmen und im Frieden im Anschluss an den Hinweis des Täufers auf Jesus (Lamm Gottes, Du nimmst hinweg die Sünden der Welt - Joh 1,29) verständlich: nur das von Gott erhöhte Lamm kann uns Erbarmen und Frieden schenken. Die Friedensbitte ist ein Über-bleibsel aus der Zeit, da dieses Lied den Friedensgruß begleitete.
3.3.3.5. Das stille Gebet vor der Kommunion
Nun folgt eine kurze Stille, in der sich alle Feiernden in einem kurzen, persönlichen Gebet auf den Empfang der eucharistischen Speise vorbereiten können. Dies ist nur der Bedeutung des Mahles angemessen, um das Geheimnis der Speise bewusst zu vollziehen. Dieses Gebet in Stille gehört schon von Beginn des eucharistischen Mahles zur Vorbereitung auf die Kommunion: Jeder soll sich selbst prüfen, erst dann soll er vom Brot essen und aus dem Kelch trinken. schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth (1 Kor 11,28). Hier, an dieser Stelle, ist tatsächlich auch das Knien eine angemessene Körperhaltung - handelt es sich doch um ein persönliches Sprechen mit Gott.
3.3.3.6. Einladung zur Kommunion
Als letzten Schritt der Vorbereitung auf das Mahl zeigt der Vorsteher der Gemeinde die eucharistische Speise und lädt mit den Worten Johannes des Täufers ein: Seht das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt! (Joh 1,29). Daraufhin sprechen alle, Gemeinde und Priester zusammen, das zuversichtliche und demütige Wort des römischen Hauptmanns von Kafarnaum: Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. (Mt 8,8). Auch in diesem Gebet geht es nochmals um die richtige Einstellung zur Bedeutung der eucharistischen Speise. Dieses Gebet kann durch einen auslegenden Vers ergänzt werden, wie z.B.: Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind. Andere Worte sind möglich, ebenfalls der für jede Messe vorgeschlagene Kommunionvers - aber sie sind nicht verpflichtend.
3.3.3.7. Der Kommuniongang
Nun findet das gemeinsame Mahl statt. Vorgesehen ist, dass zunächst der Priester kommuniziert, dann die Gemeinde. Begründet wird dies damit, dass der Vorsteher der Feier, der ja den eigentlichen Gastgeber (Jesus Christus) sichtbar macht, als erster Anteil am Mahl des Herrn bekommen soll. Es gibt aber auch Priester, die erst nach der Kommunion der Gemeinde kommunizieren. Sie tun dies manchmal, weil sie - allgemeinen Tischsitten folgend - als Sichtbarmachung des Gastgebers den Gästen den Vortritt lassen wollen. Anderen ist es wichtig, nach dem eigenen Kommunionempfang Zeit für ihre persönliche Besinnung und Dank zu haben, was in der vorgesehenen Reihenfolge nur schwer möglich ist (, da die Gemeinde wartet).
Der Priester bzw. die Kommunionhelferin/der Kommunionhelfer zeigt bei der Kommunion die Hostie und spricht die Spendeformel: Der Leib Christi! Der Empfänger antwortet mit seinem gläubigen Bekenntnis: Amen!, ehe er die Hostie empfängt. Dabei ist es in seine persönliche Entscheidung gelegt, ob er mit der Hand oder mit dem Mund kommuniziert. Aus hygienischen Gründen wurde während der Covid-19-Pandemie auf die Mundkommunion verzichtet - diese bedarf auch grundsätzlich der Einhaltung kleiner hygienischer Grundregeln.
Es ist erwünscht, dass die Hostien, die für die Kommunion gebraucht werden, in der Eucharistiefeier selbst konsekriert werden. Regelmäßiger Rückgriff auf Hostien, die zu einem früheren Zeitpunkt konsekriert und im Tabernakel aufbewahrt wurden, widerspricht den Verständnis einer Mahlgemeinschaft, die sich zum aktuellen Zeitpunkt zusammengefunden hat. (Nebenbei sei gesagt, dass bei einer privaten Feier zu Hause das Essen doch auch nicht vom Vortag aufgewärmt, sondern frisch zubereitet wird.) Im Tabernakel sollen Hostien nur in der Anzahl aufbewahrt werden, wie sie für die Kommunion der Kranken und außerhalb der Eucharistie (z.B. Wort-Gottes-Feier mit Kommunionfeier) gebraucht werden. Und sollten die konsekrierten Hostien einmal nicht ausreichen, so können die vorhandenen auch gebrochen und geteilt werden.
Der Kommunionempfang der Gemeinde wird - je nach örtlicher Gewohnheit - in zwei verschiedenen Formen vollzogen. Zum einen stellt sich die Gemeinde am Fußpunkt des Chorraumes in einer Art Halbkreis auf (in der Regel dort, wo es eine Kommunionbank gab oder gibt) und bildet so die Andeutung einer Tischgemeinschaft, die zusammen mit den Nachbarn zur Rechten und zur Linken Mahl hält. Zum anderen tritt die Gemeinde einer nach der anderen vor den Kommunionspender. So wird das bewusste Hinzutreten zum Mahl des Herrn deutlich gemacht. Dabei ist es von gleicher Gültigkeit, ob ein Priester, ein Diakon oder ein beauftragter Kommunionhelfer/eine beauftragte Kommunionhelferin die Kommunion austeilt.
Weitgehend unterentwickelt ist immer noch die Kelchkommunion. In den meisten eucharistischen Texten, vor allem in den Hochgebeten, ist immer die Rede von Brot und Wein/Kelch, von Leib und Blut Jesu Christi - aber wenn es dann ans Mahl geht, dann wird es einseitig, dann fehlt der Kelch. Essen und Trinken gehörten lange Zeit zusammen. Erst im Laufe des Mittelalters (11. / 12. Jahrhundert) verschwand die Kelchkommunion aus der Eucharistiefeier, bis sie sogar (als Reaktion auf den Laienkelch der Reformation) verboten wurde. Mit der Liturgiereform wurden die Möglichkeiten zur Erneuerung der Kelchkommunion schrittweise erweitert. Einzig in der praktischen Umsetzung mangelt es meistens noch am Mut, dem Auftrag Jesu nachzukommen. Und zwar am Mut von beiden Seiten: einerseits wissen die Empfangenden nicht genau, wie sie sich bei der Kelchkommunion verhalten sollen, weil es für sie völlig ungewohnt ist; andererseits verschanzen sich Pfarrer gerne hinter fadenscheinigen Argumenten wie hygienische Bedenken, welche Form der Kelchkommunion ist denn die bessere, an Sonn- und Feiertagen würde dann zu viel Wein verbraucht werden, und anderem.
Es ist sicher richtig, dass eine regelmäßige Kelchkommunion eine behutsame Hinführung der Gemeinde bedarf. Die Kelchkommunion an Werktagen, im kleinen Kreis ist da sicherlich ebenso eine Hilfe wie die an besonderen Feiertagen, die einen besonderen Bezug zum eucharistischen Sakrament haben, wie Gründonnerstag oder Fronleichnam. Die sinnvollste Form der Kelchkommunion ist wohl das Trinken eines kleinen Schluckes, weil sie eben dem Auftrag Jesu entspricht (Nehmet und trinket!). Häufig wird die Kelchkommunion auch in der Form praktiziert, dass die Hostie nach dem Empfang in den Kelch getaucht wird - hier werden als Begründung hygienische Argumente ins Feld geführt. Doch ist bei einem gemeinsamen Trinken aus dem einen Kelch eine mögliche Ansteckungsgefahr nicht größer als das Benutzen eines vollbesetzten öffentlichen Verkehrsmittels - Untersuchungen haben dies eindeutig ergeben.
Fortsetzung folgt...